Das Vertrauen ins Miteinander, die Liebe begründet die Kultur.
Art and Experience.
Annähernd dreissig Jahre waren Peter Angst und Beatrice Häfliger ein Paar.
Beatrice Häfliger
Beatrice Häfliger wurde 1959 im Kanton Aargau als achtes und jüngstes Kind einer Arbeiterfamilie am Rand eines Dorfes mit Blick auf eine ehemalige Gletscherebene geboren. In den ersten sechs Jahren verbrachte sie viel Zeit unbeaufsichtigt in der freien Natur. Die fünf Jahre währende Herzkrankheit und der Tod ihres Vaters mit dreizehn Jahren konfrontierten sie früh mit der Frage, wozu ihr Leben gut sein soll. Auf Anraten ihrer nächstälteren Schwester Ruth begann sie zunächst ein Jusstudium. Selbstmordgedanken und eine verpatzte Zwischenprüfung halfen ihr, sich auf den eigenen Weg zu machen. 1989 schloss sie in Fribourg das Studium in Sozialer Arbeit, Philosophie und Soziologie ab.
1990 zog sie mit Peter Angst, einem Pfarrerssohn aus dem Kanton Zürich, ins Toggenburg. Sein politisches Engagement der Achtundsechziger und Achtziger Jahre quittierte er mit einem einfachen Lebensentwurf als Schriftsteller und Lehrerstellvertreter auf dem Land. Seine authentische Lebensweise überzeugte sie. Ihr beruflicher Werdegang wurde zweitrangig. Sie überliess sich ihrer kindlichen Neugier und ihren Neigungen zur Natur und zur Kunst, ohne die sie Erwachsenenleben nicht ausgehalten hätte.
Der Austausch mit ihrem Lebensgefährten und die Geborgenheit in der Toggenburger Landschaft ermöglichten es ihr, sich frei von Absicht auf Erfolg und damit einhergehendem Leistungsdruck weiterzuentwickeln. Modellieren, bildhauen, schreiben, wandern und gärtnern waren in einer schnelllebigen Zeit Grundbausteine für ihre Konzentration auf das, was ihr wichtig war: Erfahren und Erkennen.
Das Geld verdiente sie temporär in ihrem erlernten Beruf. Die Grenze zwischen Gelderwerb und Kunst wurde über die Jahre immer durchlässiger.
Sie arbeitete mit Hingabe als Schulsozialarbeiterin, als in den ersten, grossen Schulferien ihre künstlerischen Neigungen zueinander fanden. Im Wissen, dass sie eine schwierige berufliche Herausforderung angenommen hatte, begann sie aus der Erinnerung zu zeichnen. Sie wollte Kindererleben näherkommen, um ihrem Job gewachsen zu sein. Mit Kindern auf eine Reise nach innen gehen, berührte die Kunstschaffende. Daraus entstand über zehn Jahre hinweg anhand von Zeichnungen und einem Holzrelief nach dem japanischen Farbholzschnitt «Frühnebel in Ogi» von Suzuki Harunobu der Entwicklungsroman «Das Mädchen mit dem Pagenschnitt». Er wurde mit einem Werkbeitrag gefördert und von Ruth Schweikert lektoriert.
Das Leben hatte mehr für sie bereit. Zwischen 2015 und 2020 starben ihr Mann und vier Schwestern. Derzeit arbeitet sie an einem Langzeitprojekt mit dem Titel «Hart und weich zusammenbringen», einem Novellen-Triptychon mit dem Titel «Auf Befehl von unten» und Kurzerzählungen.
Cornelia Kazis, schreibt in "Weiterleben, weitergehen, weiterleben" (Xantippe Verlag, Zürich, 2019), in dem sie sieben Witwen über ihre Erfahrungen zum Tod ihres liebsten Menschen befragt, im letzten Kapitel über Beatrice Häfliger: "Die letzte beiden Jahre waren die innigsten Jahre unserer Liebe".
Peter Angst
1950 in Wädenswil am Zürichsee geboren, wuchs er in der
Nähe der Voralpen auf, in einem reformierten Pfarrhaus. Ab 1958 war die zuletzt siebenköpfige Familie oft während möglichst vieler Ferienwochen im Madranertal, in den Bergen.
Nach der Matura verliebt er sich. Mit andern jungen Leuten gründet er am Mutschellen eine Landkommune, wie man damals sagte. Er studiert 2 Jahre Psychologie. Sein Geld als Werkstudent verdient er als Meteorologe, Operator, Chauffeur, Tankwart, Fliessbandarbeiter, Lagerist.
Im Herbst 1973 zieht er ostwärts. In Beirut lebt er unter Palästinensern, zuletzt im Flüchtlingslager Schatiila. Nach einem Schiessunfall stirbt er beinahe. Zurück in der Schweiz scheint ihm Psychologie nicht mehr wichtig. Er macht das Lehrerpatent, arbeitet als Reallehrer.
1980/81 verbringt er ein Jahr in Damaskus und lernt arabisch. Er beginnt zu schreiben, journalistisch und belletristisch. Texte von ihm erscheinen zum Beispiel im Tages Anzeiger Magazin. Er tritt eine Stelle als Auslandredaktor bei einer linken Zeitschrift an.
1984 zieht er allein ins Tösstal. Er mag nicht mehr nur ein ‚Zürcher Achtundsechziger‘ sein. Das Geld verdient er als Gärtner. Das Schreiben wird zusehends wichtiger. Er will so leben, als ob er nichts wüsste.
Ab 1985 verbringt er vier lange Winterhalbjahre auf dem Peloponnes, im südlichsten Weiler. Im Sommer jobbt er in Zürich.
1988 lernt er Beatrice Häfliger kennen. Monate später zieht er zu ihr nach Zürich. Erste Haiku-Prosa entsteht. Nach und nach beginnen ihm von Buchen und Eschen durchsetzte Tannenhänge zu fehlen. 1990 verlegen wir unseren Wohnsitz in die Voralpen, ins Toggenburg. Haiku-Prosa-Stücke erscheinen in Zeitschriften. Er schreibt an einem Haiku-Prosa-Buch. Er schreibt einen Roman. Er führt unter dem Titel ‚Skepsis und Inbrunst‘ ein Logbuch. Sein Geld verdient er bis zu seinem 65igsten Geburtstag als Lehrer-Stellvertreter in der Gegend. Er ist oft draussen, in von Nagelfluhbändern durchzogenen Wäldern. Nach der Pensionierung will er seine Texte in die endgültige Form bringen. Da bekommt er, aus heiterem Himmel, wie die Redewendung sagt, einen Befund, der die Ausdrücke ‚weit fortgeschritten‘ und ‚unheilbar‘ enthält. Er beschliesst: „Wenn es sich wirklich aufdrängt, schreib auch davon. Und streune weiterhin in Wäldern.“
Sein Haiku-Prosa- Buch „Die Wälder“ verschickt er selbst noch an Freunde, Menschen, die ihm Konkretes bedeuten. „Vom Zürichsee“ und „Skepsis und Inbrunst“ bringt Beatrice Häfliger nach seinem Tod nach Peters Wünschen im Selbstverlag Kubel heraus. Die in den letzten fünf Monaten entstandene Erzählung „Die Wildtiere“ liegt auf dem Tisch des Wolfbach-Verlags, der im kommenden Jahr – so das Geld für die Druckkosten zusammen kommt – die zweite Auflage von „Die Wälder“ herausgeben wird.
Biobibliografie
2018 Beitrag Exit Info, «Hell und etwas naiv, wie ein junger Mann möchte ich sterben»
2019 Publikation «Das Mädchen mit dem Pagenschnitt», im Wolfbach Verlag
2020 Beitrag in Täxtzit, «An der Kellertreppe»
2021 Beitrag in Täxtzit, «Eva an Dario»
Biografie - Anhang